KENIA, AMBOSELI

> INHALTSVERZEICHNISS
Vorsicht bei der Feindidentifizierung

Wie sich Spitzmaulnashörner mit anderen Tieren arrangierenDie Wet in der die Tiere leben

  

   Der Nashornbulle, den der Gamewarden Opimax nannte, war genau das, was man einen Jeepkiller nennt. Näherte sich ihm im Amboseli-Nationalpark Kenias ein ahnungsloser Fahrer auf etwa dreißig Meter, ging der Tanz los. Die drei Meter lange 1,5-Tonnen-Masse setzte sich mit drohend gesenktem Doppelhorn in Schweinsgalopp. Und wehe, wenn dann der Motor streikte! War der massige Dickhäuter wirklich darauf aus, Blech zu verbeulen und Menschen aufzuspießen?

   Forscher beobachteten einmal, wie zwei Löwinnen ein erst wenige Tage altes Rhinokind attackierten. Diese Raubkatzen müssen entweder noch sehr jung und unerfahren oder sehr hungrig gewesen sein. Sonst hätten sie gewußt, was geschehen würde. Die Nashornmutter ging stracks zum Gegenangriff über, durchbohrte die Brust einer Löwin mit ihrem achtzig Zentimeter langen vorderen Horn, schleuderte sie in die Luft und zerwalzte sie am Boden. Die zweite Löwin floh.

Breitmaulnaßhorn  Greifen Nashörner also wahllos alles sich Bewegende in ihrer Nähe an? Sind sie unleidliche, tödlich zänkische Einzelgänger, wie Großwildjäger früher meinten? Nein!Mit anderen Tieren sind die »vierbeinigen Panzerwagen« nämlich gut Freund, seltsamerweise sogar auch mit jenen Wesen, die gleich ihnen in dem Ruf stehen, ein jähzorniges Temperament zu besitzen: mit den Afrikanischen Büffeln. Oft weidet ein Dickhäuter mitten in deren Herde, ohne das geringste Zeichen von Aggression.Zornigen Elefanten, die sich gerade in der Musth befinden, also in einem Zustand höchster Erregung und Reizbarkeit, gehen sie tunlichst aus dem Wege. In einem deutschen Zoo wurden vor Jahren Versuche unternommen, Rüsseltiere und Hornträger gemeinsam in einem Gehege zu halten.

Dabei kam es gelegentlich zu Zweikämpfen. Sie endeten immer mit der Flucht des Jumbos. Wasserböcke und Oryxantilopen zu ärgern vermeiden Nashörner auch, denn sonst sehen sie sich gleich von zahlreichen spitzen Hörnern umringt, die sehr unangenehm zustoßen können.

    Gelüstet es ein Rhino, zusätzlich zu seinen neun Stunden Schlaf in der Nacht noch am Tage eine Siesta im Schatten einer Schirmakazie zu halten, so schnarcht es laut dröhnend dann am sorgenfreisten, wenn ein paar Madenhacker-Stare auf seinem Rücken auf Ungezieferjagd gehen. Sein Schlaf ist so gesund, daß ihn keine trampelnde Büffelherde erwecken könnte. Aber sobald die kleinen Vöglein Alarm zwitschern, katapultiert sich der Schwergewichtler reflexartig auf seine Säulenbeine und ist schon gegenangriffsbereit.

   Ähnlich schwankt auch das Verhältnis zu anderen Artgenossen zwischen spießiger Unduldsamkeit und geradezu zartem Liebkosen. Ein Bulle, der ein Streifgebiet von mehreren Quadratkilometern sein eigen nennt, greift, kurzsichtig wie er ist, erst einmal alles an, was ihm in die Quere kommt, mitunter sogar auch einen Termitenhügel oder Baumstrunk.

   Aber er scheint auch zu wissen, wie gewaltig er sich im Angriffsrausch bei der Feind-Identifizierung irren kann. Vielleicht hat er es mit einem Weibchen zu tun, dessen Streifgebiet sich mit dem seinigen überlappt und das er aus gutem Grund zu schonen hat. Oder er begegnet einem seiner sogenannten Bei- oder Satelliten-Männchen, also jüngeren, ihm unterwür­figen Tieren, die Asylrecht genießen. Oder er trifft auf einen Nashorngreis, der einst von ihm besiegt wurde und nun seinen Lebensabend in seiner Nähe in Frieden, wenngleich in sexueller Enthaltsamkeit, fristen darf

   Um Mißverständnisse zu vermeiden, benutzt der Poltergeist eine seiner Kurzsichtigkeit angepaßte Angriffsmethode: Erst nähert er sich dem nicht identifizierten Objekt langsam, aber laut schnaufend. Dann stößt er mit Höchsttempo fast bis zur Berührung vor und stoppt dann abrupt. Oder er prescht knapp seitlich am Objekt seines Mißtrauens vorbei. Niemals spießt er Unbekanntes direkt auf Großwildjäger haben dies früher als tödliche Attacke mißdeutet und in vermeintlicher Notwehr so früh geschossen, daß sie gar nicht den Scheinangriffs-Charakter der Aktion bemerkten.

Trifft aber Nashorn auf Nashorn, starren sich beide mit rollenden Augen zornig an, beschnüffeln sich und spritzen mit einer gewissen Flüssigkeit. Das heißt soviel wie: »Alles o.k.!« Zu ernsthaften Kämpfen mit dem Horn als panzerbrechender Waffe kommt es nur eindringenden, fremden Artgenossen gegenüber, wenn diese die Warnung mißachten.

Sind Nashörner also tatsächlich unleidliche, zänkische Einzelgänger mit eingegebenem Trieb, alles Lebendige um sie herum auszulöschen?

Das von mir skizzierte Lebensbild zeichnet einen anderen Charakter. Zwar tut sich der wehrhafte Dickhäuter recht schwer mit Sozialkontakten zu anderen Wesen, aber exakte Beobachtungen zeigen doch bemerkenswerte erste Ansätze zu gemeinschaftsdienlichem Verhalten, ohne die sich diese Art schon längst selbst ausgerottet hätte.

Interessante Spielarten zu dieser Anfangsphase sozialen Verhaltens zeigen andere, nah verwandte Nashornarten. Bisher war vom Spitzmaulnashorn die Rede gewesen, das in der Baum-oder Buschsteppe Afrikas lebt. Dort kann es mit dem spitzen Maul, genauer, mit den spitzen Lippen, grüne Zweige oder auch Grasbüschel vom Erdboden rupfen. Daneben lebt in den Grassteppen Afrikas das Breitmaulnashorn, das mit dem breiten Maul wie mit einem Rasenmäher das Gras ernten kann. Es ist seiner Wesensart nach viel friedlicher und lebt in kleinen Gemeinschaften.

Für alle Textinhalte und Fotos gilt ©2010 by Vitus B.Dröscher, Für alle Zeichnungen©2010 by Till ClaudiusDröscher ; Hamburg
<Home> <Vita> <Expeditionen> <Bücher> <Englisch> <Chinesisch> <Fotos> <Impressum>